Das Problem mit den Kondensstreifen

Sie schweben hoch oben am Himmel. Man sieht sie mal mehr, mal weniger. So mancher stört sich an ihnen, während andere die verwobenen Wolkenmuster als ästhetisches Himmelskunstwerk betrachten. Den meisten Menschen dürften Kondensstreifen jedoch herzlich wurscht sein. Ich möchte das ändern. Wieso? Weil diese harmlos anmutenden Wolkenstreifen eine bedeutende Rolle bei der globalen Erwärmung spielen – noch weitaus bedeutender als die wohlbekannten CO2-Emissionen.

Treibhauseffekt in a nutshell

Um zu verstehen, inwiefern sich Kondensstreifen auf das globale Klima auswirken, ist ein grundlegendes Verständnis über den Treibhauseffekt elementar, weshalb ich diesen im Folgenden nochmal auf das Wesentliche herunterbreche.

Die Erdatmosphäre enthält verschiedene Gase, welche die kurzwellige Sonnenstrahlung weitgehend passieren lassen, die langwellige Wärmestrahlung jedoch absorbieren. Diese Gase, insbesondere Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (NO2), werden als Treibhausgase bezeichnet. Ähnlich einem Treibhaus, das Sonnenstrahlen durchlässt und die entstehende Wärme zurückhält, bewirken diese Gase, dass ein Teil der von der Erdoberfläche abgegebenen Wärmestrahlung absorbiert wird. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt wäre es auf der Erde zu kalt, da die Wärme zu schnell ins Weltall entweichen würde.

Seit dem Beginn der Industrialisierung haben menschliche Aktivitäten zu einem stetigen Anstieg der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre geführt. Dieser durch den Menschen verursachte, anthropogene Treibhauseffekt führt dazu, dass die Menge an Wärmestrahlung, die in den Weltraum abgegeben wird, abnimmt, was wiederum zu einer Erwärmung des Systems Erdoberfläche-Atmosphäre führt.

Es kann also festgehalten werden, dass der natürliche Treibhauseffekt lebenswichtig ist, während der durch den Menschen verursachte Treibhauseffekt zu einer unerwünschten, zusätzlichen Erwärmung des Planeten führt.

Kondensstreifen und wie sie entstehen

Kondensstreifen entstehen bei der Verbrennung von Treibstoff, wenn die umgebende Luft eine Temperatur von unterhalb -40 °C aufweist (die genaue Grenztemperatur kann von mehreren Faktoren abhängen). 1 Als Nebenprodukt dieser Verbrennung fallen Wasser(dampf) und diverse Rußpartikel an. Durch die starke Abkühlung resublimiert der Wasserdampf – d. h. das Wasser geht vom gasförmigen direkt in den festen Aggregatzustand über; geboren ist der Kondensstreifen. Die im Abgasstrahl enthaltenen Rußpartikel, welche als Kondensationskeime fungieren, fördern dieses Phänomen.

Vereinfachte Darstellung zur Entstehung und Auswirkung von Kondensstreifen. In Anlehnung an Google

Die Lebensdauer eines Kondensstreifens hängt nun von vielen Faktoren ab, maßgeblich von der relativen Luftfeuchtigkeit (auch Sättigung genannt). Beträgt diese weniger als 100 %, was die Regel darstellt, so löst sich ein Kondensstreifen meist innerhalb weniger Minuten auf. Andernfalls kann es jedoch sein, dass ein Kondensstreifen mehrere Stunden zu sehen ist. Man spricht dann nicht mehr von Kondensstreifen, sondern von Cirrus homogenitus – die vom Menschen gemachte Wolke. 2 Wenn nun noch starker Höhenwind herrscht, können sich Kondensstreifen weiter ausdehnen, sodass sie von natürlich entstandenen Cirruswolken nicht mehr zu unterscheiden sind. Diese Wolken werden Cirrus homomutatus genannt, also vom Menschen gemachte Wolken, welche sich in eine neue Wolke verwandelt haben. 3

Die Auswirkungen von Kondensstreifen

Kondensstreifen haben ähnliche Auswirkungen auf die Strahlungsbilanz der Erde wie gewöhnliche Wolken. Auf der einen Seite reflektieren sie einen gewissen Teil der kurzwelligen Sonneneinstrahlung zurück ins All (kühlender Effekt). Auf der anderen Seite schirmen sie einen Großteil der langwelligen Wärmeabstrahlung der Erde ab, wodurch diese nicht ins All entweichen kann (wärmender Effekt). Je nach Sonnenstand, Bodenbeschaffenheit und natürlicher Wolkendecke haben Kondensstreifen einen kühlenden oder wärmenden Effekt. 4 In der Forschung hat man jedoch festgestellt, dass der wärmende Effekt überwiegt. So fanden Lee et al (2021) heraus, dass die Wirkung von Kondensstreifen im Jahr 2018 in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die globale Erwärmung in etwa der kumulativen Wirkung (!) der CO2-Emissionen des Luftfahrtsektors im Zeitraum von 2000 bis 2018 entspricht. 5

Die Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima. In Anlehnung an Google

Die Lösung

Um eines gleich vorwegzunehmen: die eine Lösung gibt es leider nicht. Wie so oft gibt es verschiedene Möglichkeiten, diesem Problem entgegenzuwirken. Einige davon erfolgsversprechender als andere. Insgesamt gibt es jedoch noch viel Forschungsbedarf. An Projekten wie „Blue Condor“ von Airbus (mehr dazu später) erkennt man jedoch, wie ernst dieses Thema in der Branche genommen wird und wie wichtig es ist, dieses Problem schnellstmöglich anzugehen.

Lösung 1: Alternative Treibstoffe

Eine vielversprechende Möglichkeit, die Emissionen von Kondensstreifen zu reduzieren, liegt in der Verwendung alternativer Treibstoffe. Sustainable Aviation Fuels (SAF) stellen eine innovative Lösung dar, indem sie weniger aromatische Kohlenwasserstoffe enthalten, die maßgeblich an der Rußbildung beteiligt sind. Durch den Einsatz von SAF lassen sich Rußemissionen um bis zu 80 % reduzieren. 6

Lösung 2: Effizientere Triebwerke

Ein weiterer Weg, die Auswirkungen von Kondensstreifen zu minimieren, besteht in der Entwicklung effizienterer Triebwerke. Ein Beispiel hierfür ist das von MTU Aero Engines vorgestellte WET-Konzept (Water-Enhanced Turbofan). Dieses Konzept ermöglicht die Rückgewinnung von Abgasenergie und die Filterung von Partikeln aus dem Abgasstrahl. Durch einen höheren Wirkungsgrad wird der Energieverbrauch reduziert, was wiederum zu einer Verringerung der Abgasemissionen führt.7

Noch sauberer sind dagegen Wasserstoff-Triebwerke. Diese Triebwerke produzieren weder Ruß noch Schwefeloxide, dafür aber Stickoxide und eine Menge Wasserdampf (etwa 2,5-mal mehr als in herkömmlichen Triebwerken). 8 Somit entstehen auch bei den vermeintlich umweltverträglichen Wasserstoff-Triebwerken nicht ganz so umweltverträgliche Kondensstreifen. Einen Lichtblick gibt es allerdings. So wird vermutet, dass Kondensstreifen, die durch Wasserstoff-Triebwerke gebildet werden, eine geringere Klimawirkung haben (Eiskristalle sind tendenziell größer, regnen schneller aus und sind dadurch insgesamt kurzlebiger). 9 Dieser These gehen derzeit Forscher von Airbus und dem DLR im Projekt Blue Condor nach. In diesem wird die Zusammensetzung der Kondensstreifen mithilfe zweier, mit kleinen Triebwerken ausgestatteten, Segelflugzeugen (einmal wasserstoffbetrieben, einmal kerosinbetrieben) untersucht und verglichen, welche parallel in einer Höhe von 30.000 Fuß fliegen. 10

Wasserstoff trifft Kerosin: die beiden unterschiedlich betriebenen (Segel-)Flugzeuge bei einem Testflug. Foto von Airbus

Lösung 3: Angepasste Flugrouten

Eine besonders schnell umsetzbare Maßnahme zur Reduzierung der Kondensstreifenbildung liegt in der Optimierung von Flugrouten. Hierbei gilt es, Regionen mit besonders ungünstigen atmosphärischen Bedingungen (übersättigte Umgebungsluft) zu umfliegen. Im Gegensatz zu technologischen Innovationen erfordert diese Maßnahme weder umfangreiche Investitionen noch tiefergehende Forschung. In diesem Kontext gibt es zwei Phasen zu betrachten: die Flugplanung und die Flugdurchführung.

Bei der Flugplanung geht es darum, schon vor dem Flug herauszufinden, wo sich Regionen mit übersättigter Luft befinden, und diese dann bei der Berechnung der optimalen Flugroute zu berücksichtigen. Satavia bietet bereits ein solches Tool zur Flugplanoptimierung an. Andere namhafte Unternehmen, darunter Lufthansa Systems, Thales und sogar Google forschen derzeit weiter an diesem Thema.

SATAVIAs Plattform DECISIONX optimiert Flugpläne zur Vermeidung von Kondensstreifen. Abbildung von SATAVIA

Bei der Flugdurchführung kommt es dann darauf an, die optimierte Flugroute bestmöglich einzuhalten, auf Veränderungen zu reagieren und dabei natürlich auch andere Luftverkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Eurocontrol hat in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereits in einer Testphase nachweisen können, dass Kondensstreifen durch relativ geringfügige Eingriffe, wie z. B. kleine Flughöhenänderungen, reduziert werden können. 11

Nicht außer Acht gelassen werden darf jedoch, dass durch das Umfliegen von Regionen übersättigter Luft zusätzliches CO2 produziert wird. Es muss also stets sichergestellt sein, dass die positiven Effekte (Vermeidung von Kondensstreifen) nicht durch die negativen Effekten (zusätzliche CO2-Emissionen) überschattet werden. Auch die Betriebskosten für Fluggesellschaften gilt es zu berücksichtigen.

Fazit

Ich hoffe, dieser Einblick in die Rolle von Kondensstreifen bei der globalen Erwärmung hat für dich genauso neue Perspektiven eröffnet wie für mich. Die Erkenntnis, dass diese scheinbar harmlosen Wolkenstreifen mit den CO2-Emissionen des Luftverkehrs vergleichbar sind, zeigt, dass es hier um mehr geht, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Während Lösungsansätze wie alternative Treibstoffe und optimierte Flugrouten vielversprechend sind, wird deutlich, dass die Thematik weiterhin vertiefte Anstrengungen erfordert, um nachhaltige Lösungen zu finden.

Besonders spannend wird zu sehen sein, welche Erkenntnisse das Projekt Blue Condor bezüglich der Klimaverträglichkeit von Wasserstofftriebwerken bringt, gelten diese doch als Zukunftsträger der Luftfahrt. Die Fortschritte in dieser Richtung könnten einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung der Umweltauswirkungen der Luftfahrt leisten. Es bleibt also abzuwarten, welche neuen Horizonte sich durch diese Forschungen auftun.

Weiterführende Links

Quellen

  1. DLR, „Kondensstreifen“ ↩︎
  2. World Meteorological Organization, „Homogenitus“, International Cloud Atlas ↩︎
  3. World Meteorological Organization, „Homomutatus“, International Cloud Atlas ↩︎
  4. DLR (2021), „Verhinderung von Kondensstreifen mit der richtigen Flughöhe“ ↩︎
  5. Lee, D.S. et al (2021), „The contribution of global aviation to anthropogenic climate forcing for 2000 to 2018“ ↩︎
  6. IATA (2023), Net zero 2050: sustainable aviation fuels“, Fact Sheet ↩︎
  7. Isabel Henrich (2022), Kurz erklärt: So funktioniert das WET-Konzept“, MTU Aero Engines ↩︎
  8. Airbus (2023), „Contrail-chasing Blue Condor makes Airbus’ first full hydrogen-powered flight“ ↩︎
  9. Lassak, Frank (2023), FLY GREEN – Nachhaltige Luftfahrt (1. Aufl.), Motorbuch Verlag, Stuttgart ↩︎
  10. Airbus (2023), „Contrail-chasing Blue Condor makes Airbus’ first full hydrogen-powered flight“ ↩︎
  11. Sausen, Robert et al (2023), „Can we successfully avoid persistent contrails by small
    altitude adjustments of flights in the real world?“
    ↩︎

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