So wird ein Turbinen-Strahltriebwerk gestartet

Vielleicht ist dir beim Nachvollziehen der Funktionsweise eines Turbinen-Strahltriebwerks folgende Frage gekommen: wenn die Turbine über die Gase aus der Brennkammer angetrieben wird und die Brennkammer vom Verdichter abhängig ist, wie kann dann die Turbine überhaupt den Verdichter antreiben? Oder anders gesagt, wer liefert zuerst die notwendige Energie: Verdichter oder Turbine?

Was war zuerst da: Verdichter oder Turbine?

Zur Lösung dieses Henne-Ei-Problems lohnt sich ein Blick auf den Kolbenmotor. Auch dort tritt eine zirkuläre Abhängigkeit auf. So müssen die Kolben erstmal in Bewegung gebracht werden, ehe der Motor in seinen selbsterhaltenden Viertakt-Arbeitsmodus wechseln kann. Dies wird durch den sogenannten Anlasser ermöglicht – ein relativ kleiner, aber sehr leistungsstarker Elektromotor, der die elektrische Energie der Batterie in mechanische Energie umwandelt. Um den Kolbenmotor zu starten, verbindet sich der Anlasser vorübergehend mit dem Schwungrad und setzt es in Bewegung. Dadurch wird die Kurbelwelle gedreht, welche die Kolben bewegt und den Verbrennungsprozess in Gang setzt.

Elektrischer Anlasser wie er in Automotoren zu finden ist. Foto von Willdre

Einen solchen Anlasser gibt es auch beim Turbinen-Strahltriebwerk.

Der Energielieferant

Kleinere Turbinen, wie beispielsweise Turboprops sind leicht genug, um ähnlich wie ein Kolbenmotor gestartet zu werden – mit Batterie und Elektromotor. Für größere Turbinen ist ein solcher Anlassmechanismus jedoch nicht stark genug, weswegen ein sogenannter Luftstarter (engl. air-start system oder auch air turbine starter) zum Einsatz kommt. Unter dem Luftstarter versteht man eine weitere kleine Turbine, die an der Seite des Triebwerks angebracht ist. Der Luftstarter wird durch Druckluft angetrieben und treibt seinerseits über ein entsprechendes Getriebe das Flugzeugtriebwerk an. Sobald der Triebwerkskern (N2) eine bestimmte Drehzahl erreicht hat und in die selbsterhaltende Phase übergegangen ist, kann der Luftstarter wird entkoppelt werden.

Schematischer Aufbau des Luftstarters. In Anlehnung an Aeronautics-Guide

Doch woher kommt die Druckluft, welche den Luftstarter antreibt?

O’zapt is!

Die Druckluft, welche in der Luftfahrt auch Zapfluft (engl. bleed air) genannt wird, kann auf drei verschiedene Arten abgezapft werden: über ein bordeigenes Hilfstriebwerk (APU – auxiliary power unit), externe Bodenstartgeräte (engl. air starter unit) oder aber über ein eigenes, bereits laufendes Triebwerk.

Die APU ist ein kleines Turbojet-Triebwerk, welches in der Regel im hinteren Teil des Flugzeugrumpfes untergebracht ist und mithilfe eines elektrischen Anlassers gestartet werden kann. Neben ihrer Funktion zum Anlassen eines Triebwerks versorgt sie das Flugzeug zudem mit Strom und Klimatisierung am Boden, wenn die Triebwerke noch nicht laufen, oder in Notfallsituation.

Die APU ist meist im hintersten Teil des Flugzeugrumpfes untergebracht und von außen nicht direkt erkennbar.

Wusstest du, …

… dass die Boeing 787 das einzige moderne Verkehrsflugzeug ist, welches gänzlich ohne Zapfluft auskommt? Zwar hat auch die B787 ein Hilfstriebwerk, dieses wird jedoch nur für die Stromversorgung genutzt. Die Triebwerke werden hierbei durch starke elektrische Anlasser gestartet.

(Titelbild von Franz Harvin Aceituna auf Unsplash)

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